11/2012 "Geothermie – Eine Branche im Aufbruch", EnergieAgentur.NRW berichtet
Für den Einsatz geothermischer Technologien und die Gewinnung von Erdwärme in Deutschland sind die Voraussetzungen so günstig wie noch nie. In Zeiten steigender Energiepreise, geschärftem Bewusstsein der Verbraucher und interessanter Förderprogramme bietet das breite Nutzungsspektrum der Geothermie ideale Einsatzbedingungen. Dabei hat die Geothermie zudem einen bedeutenden Vorteil: Unabhängig von Tages- und Jahreszeiten ist sie eine Grundlastenergie.
Dementsprechend hat auch die Landesregierung die Geothermie fest im Blick. Klimaschutzminister Johannes Remmel stellt die Bedeutung dieser Technologie für Nordrhein-Westfalen klar heraus: "Unser Bundesland soll zum Klimaschutz-Vorzeigeland werden. Deshalb müssen die Erneuerbaren Energien ambitioniert ausgebaut werden. Dazu gehört auch eine stärkere Nutzung von Erdwärme." Dabei erfüllt die Geothermie nicht nur die Funktion eines sehr verlässlichen CO2-armen Bausteins für zukünftige Energieversorgungsszenarien Deutschlands, sondern bietet auch konkrete Perspektiven als Wirtschaftsfaktor. "Nordrhein-Westfalen und vor allem die Metropole Ruhr nimmt im Bereich Geothermie eine Schlüsselposition ein. Bisher arbeiten in dieser Branche in NRW rund 5.000 Menschen, Tendenz steigend", erklärt Minister Remmel.
In Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile circa 45.000 erdwärmegebundene Wärmepumpen installiert. "Tagtäglich wird diese Technologie genutzt, und sie findet eine immer breitere Anwendung, ob über Wärmepumpe für Einfamilienhäuser, über die Versorgung größerer Gebäudekomplexe mit Wärme und Kälte oder die Nutzung der Geothermie aus größeren Tiefen. Zudem gibt es erste Projekte zur Nutzung warmer Grubenwässer", erläutert Leonhard Thien vom Netzwerk Geothermie der EnergieAgentur.NRW.
Nutzungspotentiale für tiefe Geothermie bis 5.000 m sind ebenfalls vorhanden. Die Erschließung geothermischer Reservoire für die Wärme- und Stromerzeugung ist sinnvoll und hierdurch kann beispielsweise Geothermiewärme über Einspeisung in vorhandene Fernwärmesysteme zur Verfügung gestellt werden.
Die in NRW vorhandenen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technologischen Ressourcen bedeuten für die Geothermie als Wirtschaftsfaktor einen enormen Standort-Vorteil. Einige wegweisende Projekte aus NRW sowie aus den benachbarten Niederlanden sollen im Folgenden dargestellt werden.
Grubenwassernutzung in Bochum
ln Bochum-Werne haben die Bochumer Stadtwerke und die RAG ein innovatives Projekt umgesetzt: Die Nutzung von 20 Grad warmem Grubenwasser aus einem Schacht der stillgelegten Zeche Robert Müser zur Wärmeversorgung von Anliegern. Betriebsstart war im Oktober und NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin weihte dieses deutschlandweit einmalige Vorzeigeprojekt ein. "Dass an diesem Ort, der über Generationen hinweg Energie durch Kohle geliefert hat, jetzt erneuerbare Energien eingesetzt werden, ist kein Zufall", erklärte Jürgen Eickhoff, Technikvorstand der RAG. Für ihn hat das Projekt im Stadtteil Werne Modellcharakter. Auch an anderen Standorten – nicht nur im Ruhrgebiet – seien solche Maßnahmen umsetzbar. Dort habe das Grubenwasser zum Teil sogar eine Temperatur von 30 Grad, was die Umwandlung in Heizungswärme noch effizienter machen würde.
Seit Herbst 2011 haben die Stadtwerke Wärmetauscher und Leitungssysteme installiert, um das warme Grubenwasser als Energieträger nutzen zu können. Zuvor wurden im Jahr 10 Millionen Kubikmeter Wasser aus 570 Metern Tiefe gehoben und ungenutzt in naheliegende Teiche abgeleitet. Jetzt werden zwei Schulen und die angrenzende Hauptfeuerwehrwache mit Heizenergie versorgt. Wärmepumpen und ein Blockheizkraftwerk unterstützen die neue Technik, so dass je nach Bedarf eine Temperatur zwischen 50 Grad und 80 Grad bereitgestellt werden kann. Zudem versorgt das BHKW die Wärmepumpen mit elektrischer Energie. Dank der natürlichen Erdwärmenutzung werden mindestens 245 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart.
Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderte Pilotprojekt wird nach dem Betriebsstart eine vierjährige Phase der intensiven Projektbegleitung zur Überwachung, Optimierung und Auswertung durchlauten. Es soll einen Einstieg in die Grubenwasser-Wärmenutzung an den anderen Standorten im Ruhrgebiet ermöglichen, an denen ebenfalls jährlich viele Millionen Kubikmeter Grubenwasser gehoben werden.
Tiefenerdwärme für Freizeitbad in Arnsberg
Ein bedeutendes Projekt konnte dieses Jahr auch in Arnsberg erfolgreich abgeschlossen werden: der Bau einer Tiefenerdwärmesonde. Aus einer Tiefe von 2.835 Metern fördert die Sonde 55 Grad heißes Wasser in das unmittelbar angrenzende Freizeitbad "Nass" und versorgt es mit mehr als zwei Millionen kWh/a Wärmeenergie. Das Freizeitbad verfügt auch über eine hochwertige Saunalandschaft mit zwei Solebecken, die mit Thermalsole gespeist werden. Diese Solequelle liegt in unmittelbarer Nähe des Freizeitbades und ist bei der ersten Bohrung auf der Suche nach Erdwärme entdeckt und erschlossen worden.
Die Geothermieanlage deckt einen erheblichen Anteil der erforderlichen Wärmeenergie des Freizeitbades. Durch die Nutzung der geothermischen Energiequelle verbleibt die Wertschöpfung in der Stadt und der Region Arnsberg. Es handelt sich um das deutschlandweit tiefste Geothermieprojekt dieser Art. Es ist damit als ein Meilenstein für die Sondengeothermie anzusehen.
Für die Stadtwerke Arnsberg ist das Tiefengeothermieprojekt ein weiterer Baustein in der strategischen Ausrichtung einer Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen und damit ein Beitrag zur Energiewende in der Stadt Arnsberg.
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