10/2011 "Von Grau zu Grün", Artikel in der WAZ-WIRTSCHAFT
Wie das Ruhrgebiet die Energiewende anpackt
Neu denken lässt der Wandel im Revier mittlerweile viele Unternehmen. Der Stromriese RWE will Windkraftanlagen auf Bergehalden errichten. Die RAG tüftelt gemeinsam mit Forschern der Uni Essen/Duisburg an unterirdischen Pumpspeicherkraftwerken, die in stillgelegten Zechen installiert werden und überschüssigen Windstrom speichern sollen.
Mont Cenis aber, das immer für technische Innovation stand, markierte diesen Aufbruch in die Erneuerung des Ruhrgebiets. Im August 1999 eröffnete der damalige NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement den neu gebauten Energiepark. Auf dem ehemaligen Zechengelände wurde nun Strom aus Photovoltaik und Grubengas gewonnen. Als Symbol der "neuen Energiezukunft" (O-Ton Clement) galt fortan die Akademie Mont Cenis. Die neugebaute Bildungseinrichtung des Landes war eine architektonische Sensation. Eine Glashülle überspannte auf einer Länge von 180 Metern die Gebäude und senkte den Energieverbrauch. Auf dem Dach wurde eine der weltweit größten, in ein Gebäude integrierte Photovoltaikanlage errichtet.
Auch die Herner Knappen waren in ihrer traditionellen Bergmannsuniform zum Festakt auf Mont Cenis erschienen und blickten auf die neue Landmarke. "Ich habe dieses Bild nie vergessen", erinnert sich Uwe Burghardt, der damals als Sprecher der im Wirtschaftsministerium angesiedelten Landesinitiative Zukunftsenergien die Eröffnung begleitete. "Es war, als ob sich die alte und die neue Zeit gegenüberstanden."
Alt und Neu, das war und ist kein Widerspruch. Mit der Jahrtausendwende und der Förderung auf breiter Front begann in NRW das Wachstum der erneuerbaren Energien. Zwischen 1998 bis 2007 versechsfachte sich der Anteil. Motor dieser Entwicklung war das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Seit dem Jahr 2000 wird Ökostrom, der ins Netz eingespeist wird, mit einem festen Betrag kostendeckend vergütet. Mutigen Windmüllern und anderen Ökostrom-Pionieren gab das die Investitionssicherheit, die bislang gefehlt hatte. Anderen Unternehmern rettete der Boom schlicht die Existenz.
…
Wie grün kann das Revier werden? Das IWR hält es für möglich, eine industriepolitische Offensive in NRW einzuläuten. Bis 2020 könne die Zahl der NRW-Unternehmen in der Ökostrombranche auf 7000 verdoppelt werden. Ausländische Unternehmen sollen von der Ansiedlung an Rhein und Ruhr überzeugt werden. Gleichzeitig, so IWR-Direktor Norbert Allnoch, müsse die Forschung gebündelt werden. Derzeit sind dem IWR 113 Hochschuleinrichtungen an 24 Standorten bekannt. Hinzu kommen 15 außeruniversitäre Einrichtungen.
Kein anderes Land tüftelt so intensiv an der Energieerzeugung und nachhaltigen Nutzung wie NRW. 230 Unternehmen mit über 4000 Beschäftigten sind im Ruhrgebiet im Bereich der Geothermie tätig. Bochum soll nun Hauptstadt dieser Energietechnologie werden. Dort wurde mit dem Geothermiezentrum eine Forschungs- und Entwicklungseinrichtung gegründet. Auf dem Campus der Hochschule Bochum entsteht nun das NRW-Geotechnikum, ein Großlabor für Erdwärmeforschung.
Auch das Stromnetz der Zukunft wird hier gedacht: Das Ruhrgebiet ist eine von sechs Modellregionen, die sich im Wettbewerb "E-Energy" durchgesetzt haben und vom Bund gefördert werden. Sieben Professoren aus drei Ruhrgebiets-Universitäten erforschen und testen gemeinsam mit Unternehmen der Energiewirtschaft Wege, um das Stromnetz intelligenter zu machen.
Den vollständigen Bericht können Sie als PDF [6,2 MB] herunterladen.